Schäm dich ! Schäm du dich doch !

Die Wortendung “-shaming” hat eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Übersetzt werden kann sie etwas holprig als “schämen machen”. Das zeigt, dass der Ort im von “shame” und “shaming” im Englischen ein anderer ist als im  Deutschen die Scham, welchen einen inneren Zustand einer Person bezeichnet – man empfindet Scham -, den diese Person für sich herstellen kann – ich schäme mich. Alternativ kommen deshalb für “Shaming” auch Wörter und Wendungen in Frage wie “mit dem Finger auf jmdn. zeigen”, “jmdn. bloßstellen” oder, altertümelnd, “jmdn. an den Pranger stellen”. Will man aber damit Zusammensetzungen wiedergeben, dann wird es schon kompliziert. Durch das “Shaming” werden stigmatisierte oder zumindest als stigmatisierungswürdig empfundene Eigenschaften oder Verhaltensweisen der an den Pranger gestellten Person (es können auch mehrere sein) thematisiert. In den DWDS-Korpora finden sich das Bodyshaming, das Fatshaming, das Momshaming und das Periodshaming, die auf Eigenschaften einer Person abzielen. Das am häufigsten verwendete Wort ist “Bodyshaming”, sicher auch, weil es vieles im Vagen lässt. Jede Eigenschaft des Körpers kann zum Ziel einer Bloßstellung werden. Das “Fatshaming” ist da schon konkreter, es zielt auf die als unschön oder ungesund gebrandmarkte Körperfülle. Das deutlich seltenere “Periodshaming” bezieht sich auf den Umgang mit der weiblichen Periode. Das “Momshaming” wiederum bezieht sich nicht auf die Mutter des oder der Angesprochenen, sondern auf das Muttersein und den Umgang damit. Man sieht an dieser kleinen Auswahl, dass Frauen häufiger zur Zielscheibe solcher Diskriminierungen werden. Der häufigste Begriff, mit dem ein bestimmtes Verhalten thematisiert wird, ist das Slutshaming. Hiermit kann sowohl ein promiskuitives Verhalten unterstellt und kritisiert werden als auch allgemeiner ein Verhalten, das man im Deutschen wohl als “vulgär” bezeichnen würde. Über die Serie “Pure” hat es dieses Wort immerhin ins ZDF geschafft. Das Flugshaming passt wiederum gut zur Flugscham, die sich beim häufigen Fliegen einstellen soll, aus Gründen des Klimas.  Mit Schlafshaming, wird ein gewisse Verpenntheit kritisiert. Das Shaming eröffnet einen Diskurs, der entweder von Diskriminierung oder von einem rigiden Einfordern von normgerechten Verhalten geprägt ist. Dabei kann und muss die Norm in Frage gestellt werden – nicht nur, aber auch von den Opfern solcher Attacken. Deshalb wehren sich die Betroffenen auch und holen, wie neulich in der WELT zu lesen war (10. Juni, Text hinter einer Paywall), zum Gegenshaming aus. Früher hätte man wohl “Retourkutsche” dazu gesagt.