Vom Uni- und anderen -versen

Am Anfang war das Universum. Dieses ist das Ergebnis einer Schöpfungsgeschichte ohne Beteiligung des Menschen. Denn es brauchte noch eine etwas längere Zeitspanne, bis die Menschheit sich in einem winzigen Teil dieses Universums entwickelte. Auch wird schon lange über das Universum gesprochen und geschrieben. Das Wort ist aus dem Lateinischen entleht, wo es formgleich verwendet wurde als Bezeichnung für das Ganze als Inbegriff seiner Teile, die ganze Welt (Q: Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen).

Vnser GOtt im Himmel ist kein solcher Tyrann/ sondern ein frey-vnd frewdig-gebende Natur/ ein jmmerfliessende Quell/ von welcher dieses gantze universum, diese grosse Welt vnd was darin begriffen/ sichtbare vnd vnsichtbare Creaturen anfangs geflossen vnd noch erhalten wird. wie er der himmlische Vatter/ an den wir im ersten Artickel glauben/ in H. Schrifft heisset ein Vatter des Regens/ also ist vnd heisset er auch ein Vatter der gantzen Welt/ dieweil er alles gemacht vnd geschaffen/ was gemacht vnd erschaffen ist, so wusste es schon Johann Conrad Dannhauer in seinem Catechismus Milch von 1653 zu berichten (Q: Deutsches Textarchiv).

Das Universum ist in diesem Weltbild also das Ergebnis eines Schöpfungsaktes, die allumfassende Welt. Aber, wie James Bond bzw. dessen Schöpfer schon feststellte: Die Welt ist nicht genug! Und so entstanden, diesmal aus der (sprach-)schöperischen Kraft der Menschheit, weitete Welten, bzw. Universen oder Paralleluniversen. Diese Wortschöpfung ist erstaunlich jung, es gibt kaum Belege vor dem Ende der 80er Jahre: Lovecrafts Bilder des Entsetzens sind von eschatologischer Totalität. Sie fügen sich zu einer systematischen Gegenwelt des naturwissenschaftlichen Kosmos, einem Paralleluniversum der schwarzen Magie und des schlechthin Unbegreiflichen schreibt die Tageszeitung taz damals über einen Erzählband von H.P. Lovecraft.

Ungefähr zu dieser Zeit beginnt sich das “-versum” von seiner Einzigartigkeit ausdrückenden Vorsilbe “Uni-” zu trennen. Eine naheliegende sprachliche Weiterentwicklung ist da das Pluriversum, ein Wortschöpfung, die vor allem Vielfalt und Beliebigkeit in den gegenwärtigen Diskursen und Lebenswelten thematisiert: Ohne Anflug von Trauer schrieb Lyotard, daß es nun mit den Tröstungen des europäischen Geistes ein Ende habe. Die Welt müsse Abschied nehmen von den Verheißungen der Moderne, von der Großen Erzählungen über Fortschritt und der Vernunft, Arbeit und Emanzipation. Nichts mehr versöhnt die getrennten Wertsphären von Kultur und Politik, Recht und Moral. Der Siegeszug des Wissens hinterläßt ein Pluriversum der Sprachspiele, eine Maskerade der Differenzen und der Diskurse. Es gibt keine Einheit der Vernunft in der Vielheit ihrer Stimmen schreibt die Zeit 1998 und ordnet diesen Begriff damit dem Diskurs der Postmoderne zu.

Hinzu tritt dann die Transzendenz, der Weg führt vom Universum, der uns vertrauten dinglichen Welt, ins Metaversum. Neil Stephenson veröffentlicht 1992 den Roman “Snow Crash” und damit vermutlich auch den Ausdruck “Metaverse”: So Hiro’s not actually here at all. He’s in a computer-generated universe that his computer is drawing onto his goggles and pumping into his earphones. In the lingo, this imaginary place is known as the Metaverse. Hiro spends a lot of time in the Metaverse heißt es dort (Q: Neil Stephenson: Snow Crash). 

Nicht zufällig fällt dies zusammen mit der Virtualisierung unserer “einen Welt” und mit dem Entstehen von virtuellen Welten. Zunächst in Computerspielen. Die Computerzeitschrift c’t berichtet 1998 von einer VRML-Welt von Blaxxu,  einer kalifornischen Softwarefirma, mit Avataren als handelnde Agenten. Angesichts der Rechnerleistungen zu dieser Zeit wohl mehr ein Blick in die virtuelle Zukunft als ein reales Vergnügen. Irgendwann im Übergang von den Nullerjahren in die Zehnerjahre dieses Jahrhunderts entstehen dann Plattformen wie “Second Life” in denen die Mitglieder sich als “Bewohner einer anderen Welt” fühlen und gerieren können. Die Metaversen unterscheiden sich von den herkömmlichen und ebenfalls sehr erfolgreichen Multiplayer-Online-Rollenspielen wie „World of Warcraft“ dadurch, dass man hier keine Drachen töten oder Schätze bergen muss. Es genügt, einfach zu existieren, die Sinnstiftung übernimmt die Konsumkultur: Mach es dir gemütlich! Und: Verwirkliche dich selbst!  Schreibt die Süddeutsche Zeitung 2010 über Second Life und vergleichbare Plattformen. Man beachte den Plural, das Metaversum hatte sich da schon vervielfacht.

Dieses mit “Second Life” und vergleichbaren Plattformen scheinbar zugrunde gegangene Metaversum möchte nun Mark Zuckerberg wieder erschaffen bzw. zum Leben erwecken, dazu sollen das Universum der realen Welt und das Metaversum stärker integriert werden: Bei Facebook will man jetzt offenbar zurück in die Zukunft. Der Konzern hat sich jüngst umbenannt, heißt jetzt Meta und will ein sogenanntes Metaverse schaffen: Das erinnert auf den ersten Blick ein wenig an Second Life – ein Second Life 2.0 gewissermaßen. Das Metaversum soll echte und virtuelle Welt verknüpfen, verkündete Facebook-Chef Mark Zuckerberg jüngst kann man im IT&TK Blog von ingenieur.de lesen. Dort wird das Metaversum auch kritisch als eine “Idee, die schon oft gescheitert ist, bezeichnet”. 

Um es frei nach Goethe zu sagen: Am Anfang war die Welt // Doch halt, hier stock‘ ich schon // Ich kann die Welt allein so hoch nicht schätzen // Ich muss durch eine andere sie ersetzen.