Impflicht und Impfzwang – bedeuten diese Wörter dasselbe?

Ich bin in den letzten Tagen des Öfteren gefragt worden, ob die Ausdrücke “Impfpflicht” und “Impfzwang” dasselbe bedeuten. Meist mit dem Unterton: Sie bedeuten nicht dasselbe, nicht wahr? Ich möchte hier dagegen argumentieren, also für die Bedeutungsgleichheit – und zwar aus sprachlicher, nicht aus juristischer Sicht. Das heißt, dass in der Rechtsterminologie sich die Dinge anders darstellen können.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das Wort “Zwang”. Man kann drei Bedeutungen bzw. Bedeutungsnuancen von “Zwang” unterscheiden. Erstens kann die Anwendung von Zwang mit meist körperlicher Gewalt verbunden sein (Zwangsarbeit, Zwangsverschleppung) oder zumindest von deren Androhung (Zwangsehe). Zweitens kann der Zwang eine Form des inneren, psychischen Drucks darstellen (Zwangshandlung, Waschzwang). Drittens kann mit Zwang ein ethisches Gebot, eine Sollens-Vorschrift oder eine normative Kraft verbunden sein, die Zuwiderhandlungen gegen das “Erzwungene” sanktioniert (Fraktionszwang, Krawattenzwang). Meiner Meinung nach deckt sich die Bedeutung von “Impfpflicht”, als ethisch und / oder normativ begründete Verpflichtung, mit der hier genannten dritten Bedeutung von Zwang, und in dieser Hinsicht sind Impfpflicht und Impfzwang bedeutungsgleich. Anwendung von Gewalt im Zusammenhang mit dem Impfen wird in den seriösen Quellen ausgeschlossen, und ein innerer psychischer Druck kann wohl sicher ausgeschlossen werden.

Gleichwohl scheint mir die Verwendung von “Impfzwang” nicht ganz unschuldig zu sein. Diejenigen, die das Wort verwenden, framen damit den gerade darüber stattfindenden Diskurs. Das in den Bedeutungen changierende Wort “Zwang” rückt das mögliche staatliche Handeln in die Richtung von Gewalt. Wollte man also dem Wort Impfzwang eine eigene, von dem Wort Impfpflicht abweichende, Bedeutung geben, dann würde man dieser politischen Rahmung (Impfpflicht ist verbunden mit staatlicher Gewalt, die Impfgegner*innen deren Opfer) Raum geben. Oder, um es deutlicher zu formulieren: Man würde damit das Geschäft politisch motivierter Impfgegner betreiben.

Um dennoch den Unterschied in der Bedeutungsfärbung (linguistisch: Konnotation) deutlich zu machen, hat die Lexikographie etwa das Mittel, eine Stilfärbung anzugeben, z.B. “abwertend”. Das Geschäft der Sprachkritik ist es, die Unterschiede in der Verwendung dieser Begriffe anhand von Beispielen deutlich zu machen und die Motivation hinter dieser begrifflichen Differenzierung aufzuzeigen. Die DWDS-Korpora bieten dafür reichlich Material.