Neulich im Museum 1

Neulich im Museum 1

Mitte Oktober Besuch im Museum Hamburger Bahnhof. Nach einer längeren Durststrecke dort mit diversen Umbauten glänzt das Museum mit vier Ausstellungen. Auch die Rieckhallen sind nun wieder zugänglich und so interessant wie divers bestückt.

Eine der Ausstellungen widmet sich einiger der Facetten der Arbeit von Joseph Beuys. Die Ausstellung „Werke aus der Sammlung“ ist nicht terminiert.

In der Ausstellung hängt eine Informationstafel, die ich hier in einem Ausschnitt wiedergebe.

Der Teil, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog, ist die Referenz auf Kae Tempest (https://de.wikipedia.org/wiki/Kae_Tempest). Tempest versteht bzw. definiert sich, so der Wikipedia-Eintrag, als nichtbinärer trans Mann (gewählte Pronomen: he und him).

Diese Identität von Tempest wird in der auf dieser Tafel gewählten Formulierung in ikonischer Weise referenziert, durch die Wörter Rapper*in und Lyriker*in.

Ein ikonisches Zeichen, so hat es Charles Sanders Peirce einst in die Semiotik eingeführt, ist ein Zeichen, das hinsichtlich eines Merkmals eine Ähnlichkeit oder Korrespondenz zwischen der Formgestalt des Zeichens (des Bezeichners) und dem Bezeichneten herstellt.

Schaut man sich das Zeichen „Rapper*in“ an, dann besteht es aus den Teilen „Rap“ – der Wortstamm bezeichnet eine Tätigkeit – „-er“ als Endung, die ein männliches Agens (männliche Person, die rappt) bezeichnet, „-in“ als Suffix, das ein weibliches Agens bezeichnet und dem Stern, der genderbezogene Nichtbinarität bezeichnet. Was hier Bezeichner und Bezeichnetes verbindet, ist das „Dazwischensein“. Die grammatisch männliche und die weibliche Endung haben keine andere Funktion als die, die eigentlich hier gemeinte Endung zu flankieren. Schließlich ist den Verfassern der Informationstafel bekannt, dass die bezeichnete Person weder als männlich noch als weiblich gelesen werden möchte. Die minimale, von der Bezeichnungsökonomik her korrekte Form wäre „Rap*“

Es handelt sich hier um einen gelungenen Einsatz des Gendersterns, der etwas zur Ästhetik und zur Verständlichkeit des Textes beiträgt. Der Preis dafür ist lediglich, dass die grammatische Ebene (-er und -in sind Bestandteile der deutschen Grammatik, genauer der Wortbildung) und kulturelle Ebene hier vermischt werden. Die Mischung aber ist originell.