cringe, Cringe, cringen

Über Inhalt und Gebrauch des sog. “Jugendwort des Jahres” – nämlich cringe – ist in den letzten Tagen genug geschrieben und satirisch gelästert worden. Vor allem ist nun klar, dass es wohl eher cringe ist, als über 30-Jähriger dieses Wort zu verwenden, erst recht in einem seriösen Medium. Nicht ausreichend gewürdigt sehe ich aber die Tatsache, wie flexibel sich dieses Wort in Sätze einfügt. Es führt ein Dreifachleben: a) erstens, und so wird es auch meist präsentiert, als ein Adjektiv (“Mega late (Was soll das, RTL?), aber dafür schon mit gefühlt dreitausend witzigen oder auch sehr cringen Momenten, über die wir und Twitter heute natürlich ein wenig reden müssen.” schreibt das Magazin tresClick über den “Bachelor in Paradise”); b) zweitens als ein Substantiv – Cringe, mit dem Plural Cringes – womit die Scham selbst oder das damit einhergehende Zusammenzucken als körperliche Reaktion gemeint ist (“ All das mit ansehen zu müssen ist mit dem Wort Fremdscham nur unzureichend benannt und mit sehr, sehr hartem, körperlich fühlbarem „Cringe“ (Zusammenzucken) wahrscheinlich am besten umschrieben.” schreibt Felix Hooß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Doku “Unfuck the World”); c) drittens schließlich kann man mit diesem Wort ein Verb bilden, auch wenn im Deutschen dafür eine Verbendung angehängt werden muss: cringen (“So verrät sie [«Switzerland’s next Topmodel»-Kandidatin Aleks] im Interview, dass bei der Castingshow keine Aussagen geskriptet sind und sie sehr oft über sich selbst cringt, wenn sie die Folgen im TV schaut“, so steht es in der Schweizer Postille 20min in deren News Juice zur Serie “Love Islands”). Interessant auch, dass in den allen drei Belegen von Fernsehsendungen die Rede ist. Auf dem Sofa ist offenbar viel Zeit und Raum für das Fremdschämen.

Wussten Sie auch, oder erinnern Sie sich, dass “cringe” bzw. “cringy” bereits das inoffizielle Jugendwort des Jahres 2019 war? Da der Langenscheidt-Verlag, bis dahin der Ausrufer des Jahres-Jugendwortes, in diesem Jahr nicht handlungsfähig war, hat funky, das Jugendradio der Funke-Mediengruppe, kurzerhand dieses Wort vorgeschlagen bzw. gekürt. 2019-2021, eine bemerkenswert lange Karriere für ein “Jugendwort”.